Autosalon Genf 2018: Fliegende Autos die Highlights?

Schon ganz ohne Dieselproblemen kann man feststellen: Den Ingenieuren und Designern wachsen langsam graue Haare dabei, sich neue Features auszudenken, die die Verkäufe anheizen. Der 16-Zylinder zieht einfach nicht mehr. SUVs und Geländefahrzeuge treten in die Phase der Marktsättigung ein. Und fahrende Handys sind halt nicht jedermanns Sache. Irgendwie droht die Stagnation. Vielleicht nicht jetzt sofort, aber bald. Das merkt man ja schon daran, dass Carsharing systematisch schlechtgeschrieben wird (weil es für die Konzerne selbst nicht rentabel ist, und privat betrieben die Autoverkäufe verringert). Das selbstfahrende Fahrzeug lässt noch auf sich warten. Und Elektro oder Alternativen stecken faktisch in den Kinderschuhen.

Dagegen titeln Gazetten wie die WAZ vollmundig, fliegende Autos seien die Highlights auf dem Autosalon. Demnach sollte es in Genf ja nur so wimmeln davon. Faktisch bleiben dann gerade mal zwei altbekannte Konzepte übrig: Den „fliegenden Holländer“ PAL-V habe ich in einem früheren Post schon mal wenig löblich vorgestellt. Und sowieso viel schöner ist der Entwurf Pop.Up Next von Airbus-Audi. In 20 Jahren dann wieder, wenn man Airbus-Chef Tom Enders glauben will.

Und damit wären wir schon beim Punkt: Wo ich mir am wenigsten ein Flugauto wünsche, ist auf einem Autosalon. Denn dann, das weiß jeder Mann mit Führerschein, der länger als 20 Jahre ADAC Motorwelt empfängt, kommen die Dinger NIE in den Handel. Kein einziges Konzeptfahrzeug, das ich mir gewünscht hätte, wurde je produziert. Man macht einem den Mund wässrig. Und das war es dann auch schon. Fliegende Autos als fester Teil es Ökosystems Auto? Denkste.

Aber warum dann das Getöse in der deutschen Presse? Das erkennt doch jedes Kind: Um davon abzulenken, dass die Automobilindustrie, zumal die europäische, spätestens seit dem Dieselskandal in einer fundamentalen Krise steckt. Und nicht bekennen kann: Wir haben keine Tesla-Killer im Programm. Nur altes Gemüse oder noch hässlichere, noch PS-stärkere Arschloch-Boliden. Das ist der Grund, warum man die Exoten in den Mittelpunkt rückt: Damit die Langweiler noch weniger auffallen. Wie seit gefühlt hundert Jahren sind fliegenden Autos die Lückenbüßer. Diesmal vielleicht, bis die autonomen Fahrzeuge kommen, was noch dauern kann – und vermutlich nicht sehr einträglich wird, weil die Dinger m.E. viel billiger sein werden …

Startup-Watch #1

Liste aktueller Erfindungen und Dienstleistungen, die kurz vor der Markteinführung stehen:

• Der Chemtrailer
• Bananenspanner
• Prassschwein
• Halbschlaftabletten
• Ohrwurmprotektor
• Produktgruppe »Elektrosmogartikel«
• Die Traumklatsche
• Der Weltwürfel
• Mondcreme
• Call-a-nixda.de
• Mieseralwasser (prickelnd)
• Gummipärchen
• Dieser Dings, äh Flughafen in Berlin

Das Wundermogel

Der Erfindergeist deutscher Ingenieure wird auf der ganzen Welt bewundert. Weit übertroffen wird dieser allerdings von der Sturheit deutscher Technokraten. Gegen Ende des 2. Weltkrieges beispielsweise wurde zunehmend die Hoffnung angefacht, durch immer komplexere Technologien wie synthetischen Kraftstoffen oder durch neuartige Waffensysteme doch noch eine Kriegswende herbeiführen zu können. Und je länger die vollmundig angepriesenen Wunderwaffen auf sich warten ließen, desto tiefer drangen diese in mythologische Dimensionen vor, die sogar das Kriegsende in Deutschland überdauerten und augenscheinlich erst implodierten, als die erste, eigentlich noch gegen Hitler entwickelte Atombombe der Amerikaner in Japan explodierte: Es gab für die deutschen Ingenieure zu keinem Zeitpunkt eine reelle Chance, der alliierten Kriegsmacht etwas entgegenzusetzen. Das dicke Ende, notfalls eine Atombombe, hätte den Naziumtrieben in jedem Fall den Garaus gemacht.

Einmal mehr zu erleben, wenn auch im kleineren Maßstab, ist dieses Phänomen im Dieselskandal. Ob dabei eine kriegstraumatische Syndromentwicklung hereinspielt, weil der zweite Weltkrieg zum großen Teil auch wegen akuten Treibstoffmangels für die Deutschen verloren ging, kann hier nicht nachgewiesen werden. Doch um es kurz zu machen: Der angeblich so schadstoffarme, hoch entwickelte Diesel ist so eine Wunder(mogel)waffe. Ich nenne es »Wundermogel«. Und die Atombombe, die wird auch wieder in den USA entwickelt. Sie heißt Tesla und funktioniert. Zum Glück.

Darum sollten die Deutschen rechtzeitig die Reißleine ziehen. Denn in einem Land, in dem der unerhörte Wohlstand seiner Bewohner zu einem wesentlichen Teil direkt oder indirekt vom Automobilbau abhängt, sollten sich die Bürger endlich zusammenschließen und ein Umdenken erzwingen. Denn sollten die Konzerngranden die Wende in alternative Antriebskonzepte verpassen, so werden wir alle darunter zu leiden haben. Will sagen, verarmen. Wir werden alle sterben. Versteht ihr? Steherreben. Drum Leute:  Auf die Barrikaden. Mir nach! Attacke! – – – Hallo? Haaaaaloooo? – – – Keiner mehr da? Hmm.

Ich fahr dann mal tanken.

Abt. Designermöbel: Frage an die Fabrikanten

Liebe Fabrikanten, was ich schon immer von euch wissen wollte ist, worin eigentlich der Unterschied besteht zwischen diesem Ramsch, den man für einsneunundneunzig bei KIK kaufen kann und den anderen, teuren Sachen, die uns immer mit „Designer-“ angepriesen werden: Designer-Stuhl, Designer-Lampe, Designer-Tischbesen, Designer-Klobürste? Ich meine: Wer entscheidet denn bei den normalen, gewöhnlichen, mitunter sogar sehr hässlichen Gegenständen, wie diese am Ende aussehen? Der Zufall? Ein Praktikant? Oder, liebe Fabrikanten, entscheidet das am Ende vielleicht der Chef, mithin also gar ihr selbst?

Tanken bei Bill: Mein Auto fährt mit Luft

Nachdem fliegende Autos mutmaßlich ziemlich durstig sein werden, hier mal eine frohe Botschaft. Denn IT-Dino Bill Gates rettet mal wieder die Welt. Diesmal mit einer Anlage der Firma Carbon Engineering, die CO2 aus der Luft filtern und in Benzin oder Diesel umwandeln will. Damit schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe: Das klimaschädliche Gas wird aus der Atmosphäre gezogen und der dann verwendete Treibstoff kann über herkömmliche Infrastrukturen vertrieben werden. Wenn jetzt auch noch die dafür nötige Energie geschenkt wird, eigentlich das perfekte System. Nachdem fossile Brennstoffe als Energiequelle eher ausscheiden, bleiben nur noch die Erneuerbaren – oder Atomkraft. Oh, und daran forscht Gates auch. Mini-Atomkraftwerke. Wollen mal hoffen, dass der „Schwere Ausnahmefehler“ diesmal dann tatsächlich die Ausnahme bleibt …

Kochen, Kunst und Kitsch

Heute ein geerbtes Kochbuch geöffnet und einen kleinen, handgeschriebenen Zettel darin gefunden:

»Kitsch [vielleicht von engl. sketch „Skizze“; Bismarckzeit], Sammelbegriff für geschmacklose und sich als Kunst ausgebende Erzeugnisse der Malerei, der Plastik und Architektur, des Kunstgewerbes, der Literatur, der Musik und des Films, die in sich unwahr sind, da sie Schönheit durch Glätte, Empfindung durch Rührseligkeit, Größe durch Pose und hohles Pathos, Tragik durch Sensation ersetzen oder ihr durch ein happy end ausweichen.«

Interessant daran: Als ich ein paar Zeilen davon in Google eingab, fand ich die Passage in vollständiger Form. Sie stammt aus einer Ausgabe von »Der Neue Brockhaus« und es fehlte der wichtige Zusatz: »Das Urteil darüber bleibt individuell und zeitgebunden. Nicht selten betrachtet schon die jüngere Generation als K., worin die ältere echte Gestaltung sah.«

Offenbar hat hier jemand sein „Messer“ im Kochbuch versteckt, um einer unliebsamen Person mit seinem Kunstbegriff damit hinterhältig aufzulauern – ohne Möglichkeit einer Rehabilitation.

Was ist mir mehr wert? Eine Welt, die nur noch wahrhaft schöne Kunst produziert – oder eine Gesellschaft, die es nicht nötig hat, ihre eigene Identität durch abwertende Kunsturteile zu schärfen?

JB-10  von Jetpack Aviation – die Zukunft schnellergedreht?

Etwas das ich bislang gar nicht auf dem Schirm hatte lässt mir gerade echt das Blut in den Adern kochen: Das weltweit erste alltagstaugliche Jetpack JB-10 soll dieses Jahr in den Handel kommen.

Mit zwei Triebwerken bei 160 km/h senkrecht startend durch die Lüfte? Geht nicht? Geht! Jedenfalls wenn es nach David Mayman und Nelson Tyler geht, den Gründern von Jetpack Aviation. Der eine baut, der andere fliegt, so kann man die Rollenverteilung kurz zusammenfassen. Und gemeinsam sehen sie aus wie die Hauptdarsteller einer 80er SciFi-Action-Serie im Stil von Airwolf, vielleicht mit einem Schuss Night Rider gewürzt.

Aber am besten man hat es selbst gesehen:

London’s Royal Docks

Crowd Funding Flight – Long Beach, California

Im Morgenlicht

Na?!!!!

Jetzt nur noch schnell Omas Erspartes plündern und ab in die Lüfte!

Die Schienen zur Hölle und in den Himmel

Das größte Hindernis auf dem Weg in die Zukunft die ich meine, ist die Unkenntnis des Menschen von sich selbst. Ich rede jetzt nicht davon, dass, metaphorisch gesprochen, jeder Mensch eine maximal komplizierte, einzelangefertigte Sondermaschine ist, die mit fortschrittlichster Soft- und Hardware ausgestattet leider nur ohne Handbuch ausgeliefert wird. Sondern dass man verstehen muss: Es geht um das System. DAS (fahrende oder fliegende) Auto gibt es nicht. Es gibt nur DIE  (fahrenden oder fliegenden) Autos. Analog gilt: DEN Menschen gibt es nicht. Nur DIE Menschen. Der Erfolg kommt durch die Mehrzahl und in Bezug zueinander. Was vielleicht auch der Grund ist, warum ein Handbuch überflüssig ist. Der Einzelne ist einfach nicht wichtig genug. Es reicht aus, die Struktur zu kennen, um das System am Laufen zu halten.

Folglich muss jeder Versuch, bleiben wir bei diesem Beispiel, das Auto im Einzelnen zu verbessern, in eine Stagnation führen: Ganz egal wie lange die Ingenieure am Diesel herumbasteln, es wird immer nur ein Dieselauto bleiben. Einen erweiterten Begriff vom Auto der Zukunft wird man so nicht erhalten. Das war ja schon bei der Dampfmaschine so. Und auch beim Pferd. Es braucht Impulse, um das SYSTEM zu ändern. Innerhalb dieses Systems dann mag es sinnvoll sein, die Einzelexemplare oder Serien zu optimieren. Doch die Optimierung bringt dann keinen echten Fortschritt mehr.

Entsprechend sind alle Versuche, die beim Menschen am Individuum ansetzen, auch zum Scheitern verurteilt. Weil sie dem Grundirrtum aufsitzen: Wenn sich alle nur richtig verhalten würden, dann herrschte das Paradies auf Erden. Die Empirie der Jahrtausende hat gezeigt, dass genau das nicht funktioniert. Weder haben moralische Ermahnungen, ja sogar Folter und Strafe individuelles Fehlverhalten ausrotten können, noch ist der neuzeitliche Versuch der Selbstoptimierung so weit geglückt, als man sagen könnte: So stelle ich mir eine fortgeschrittene Zukunft vor. Denn kaum rückt der Traum von gottmächtiger Technik für jedermann in Reichweite, rücken auch schon wieder die Moralisten an, die die Auswüchse dieses Handelns aus mehr oder minder einsichtig erscheinenden Gründen eindämmen wollen: Gesundheitsfanatiker, Sportfetischisten, Tierschützer, Umweltschützer, Genderisten, Antiglobalisten, Esoteriker, Mullahs, Sozialisten meinetwegen. Sie alle jedoch verlangen, wir mögen uns bescheiden auf ein bestimmtes Normverhalten. Und das vor allem individuell. Stuttgarter Kehrwoche global sozusagen.

Selbst im vielgescholtenen Kommunismus war das so: Bestraft wurde für das Abweichen von der Norm nicht das System, oder wenigstens ein Kollektiv, sondern immer das Individuum. Dass es manchmal oder oft die Falschen traf, tut der Sache keinen Abbruch. Das gehört eben dazu und ist ja auch bei der Inquisition oder jeder anderen moralisierenden Gesellschaftsform so. Ja selbst in Gesellschaften, die tatsächlich systemisch bestraften, führte es zu nichts: Ganze Urwaldvölker sind ausgestorben, weil sie zu viele Menschenopfer darbrachten – ohne zu erkennen, dass die Quelle ihres Darbens, möglicherweise eine Dürre, völlig andere Ursachen hatte, als die vermeintlichen. Der hilfloseste Versuch einer Selbstoptimierung überhaupt, sich oder andere einem Gott zu opfern. In verwandelter Form könnte man in diese Kategorie auch die Massenverhaftungen der Stalinzeit und – weniger verwandelt – die dem Nazirassenwahn geschuldeten Massenmorde einsortieren.

Von hier aus ist es nicht mehr weit, festzustellen: Der Zweck von Fremd- oder Selbstverbesserung des Individuums ist, eine Systemänderung zu verhindern. Es wird dadurch immer weniger denkbar, dass man auch anders handeln könnte. Oder dass es überhaupt einen Systemzwang gibt, denn er versteckt sich ja in der ewigen, von schlechtem Gewissen und Angst begleiteten Gefühl der Unvollkommenheit des Einzelnen, bzw. hinter der Wut auf die anderen.

Besonders unrühmlich tun sich da gerade jene Wissenschaften hervor, die am meisten vom Menschen zu wissen behaupten: Psychologie, Neurologie und die Sozialwissenschaften. Die beiden ersten betrachten im Schwerpunkt immer die „Monade“, und ziehen meist gar nicht in Betracht, dass eine Individualstörung womöglich das Symptom für eine Systemstörung auf Megastrukturebene ist. Das pragmatische Prinzip hierbei lautet: Was wir nicht reparieren können, stellen wir auf den Pannenstreifen und schalten auf Leerlauf, wo es keinen Schaden anrichten kann.

Anders die Sozialwissenschaftler. Die sind noch am ehesten am Puls der Problematik. Aber auch hier wird man früher oder später auf verkappte Imperative an die Moral des Einzelnen stoßen. Besonders gutes Beispiel: Spätestens seit Marshall McLuhan seine zunächst spannend formulierte These »Das Medium ist die Message« in eine (angeblich auf einen Druckfehler zurückgehende, aber dann absichtlich beibehaltene) Variante abänderte, nämlich in »Das Medium ist die Massage«, wurde klar: Der katholische McLuhan sorgte sich weitaus weniger um die Medien, als um die Moral. Genauer den Medienabusus. Und nur ein Tauber konnte seinerzeit die „Message“ nicht verstehen: Schalt die verdammte Glotze doch mal aus. Was nichts Anderes ist, als eine moralgetränkte Verhaltensanweisung an alle gerecht denkenden der Welt, mit dem Ziel ein wohl eher fantasiertes, besseres Vorläufersystem zu restituieren. McLuhan wußte wahrscheinlich wovon er sprach: Im Gegensatz zum Protestanten liest ja ein guter Katholik, der nicht Theologe oder Pfarrer ist, auch keine Bibel, sondern lässt sich Auszüge davon in der Kirche vortragen. Das Medium ist die Massage. Mit dem Ziel der Normierung von systemkonformen Denkinhalten. Wenigstens in diesem Punkt voll ins Schwarze.

Wo liegt der Ausweg?

Auf der Straße. Und bei den Tankstellen. Und den Werkstätten. Und den Garagen. Und den Fahrschulen. So ist es beim Auto. Und so war es bei der Eisenbahn: Nicht auf die Lokomotive kam es an, sondern auf die Schienen und den Bahnhof! [siehe auch: »Spiel mir das Lied vom Tod«]. Beim Pferd waren es auch erst ein existentes Straßensystem und Relaisstationen, die eine halbwegs alltagstaugliche Reise ermöglichten.

Interessant daran: Es war ja dann auch selten ein Problem, ein bestehendes System mit einer gänzlich neuen Technik zu erhöhen, also einem Handkarren ein Pferd voranzustellen, einer Pferdekutsche einen Benzin- oder sogar Elektromotor einzubauen, eine handgezogene Lore auf Dampf und eine Dampflok auf Diesel umzustellen. Immer wann war das kein Problem? Wenn die Infrastruktur vorhanden war. Und wenn es einen Anlass gab. Es muss eine Motivation geben und eine Chance, dieser zu folgen.

Nachdem wir also wissen, dass die Amelioration des Individuums nutzlos ist, und es auf die Infrastruktur ankommt, lautet die große Frage also: Was ist das entscheidende, leider aber wohl noch nicht analysierte Systemnetz des Menschen, auf dem er sich aktuell vergeblich zu verbessern sucht, und was könnte das Motiv sein, eine hoffentlich bestehende Chance zu nutzen, den Sprung in die Superzivilisation zu wagen?

Mit einer doppelten Ration Verpflegung für die Rudersklaven, damit der Kapitän Wasserski fahren kann, ist es jedenfalls nicht getan.

Wunderbare Plastikwelt der Zukunft: warum eigentlich nicht?

Kunststoffe versprachen einst die phantastischsten Eigenschaften, Formen und Oberflächen. Zwischenzeitlich ist die Euphorie etwas abgeklungen und scheinbar einer realistischeren Betrachtungsweise gewichen. – Wirklich? Ich behaupte, nein. Denn Kunststoff ist immer ein Wunderstoff gewesen und auch geblieben. Sein Problem ist genau diese Eigenschaft. Gerade, weil Kunststoffe so genial sind, werden sie auf eine Weise eingesetzt, die auf fatale Weise seinem Ruf nachhaltig schaden.

Kinderspielzeug zum Beispiel war in alten Zeiten meist aus Holz oder Lehm, wie man in vielen Museen erleben kann. Für Reiche gab es dann schon mal Gold oder Silber, manchmal auch Bronze oder Kupfer. Spätestens seit dem 19. Jahrhundert kamen dann verschiedene Metalle ins Spiel. Eisen, Edelstahl, Aluminium, etwas früher schon Zinn. Diese haben neue Formen ermöglicht und auch die Massenproduktion beflügelt. Das hatte aber auch Nachteile: Metall ist schwer, Eisen zum Beispiel rostet bei Feuchtigkeit und dünneres Blech verbiegt sich leicht. Außerdem kann man sich leicht daran verletzten und es ist ein guter Stromleiter. Insgesamt etwas ungeeignet für Kinder.

Die Antwort darauf war das Plastik in seinen vielen verschiedenen Formen und Farben. Doch was passierte dann? Es kamen die Kostenoptimierer und stellten fest: Mit Plastik kann man nicht nur bislang undenkbare Formen massenhaft herstellen, man kann dies auch unendlich sparsam tun. Körper mit Wanddicken, die unseren Vorfahren Tränen in die Augen trieben, sind bei gewöhnlichem Billigspielzeug aus dem Aldi die Regel.

Dasselbe Prinzip finden wir natürlich nicht nur beim Kinderspielzeug, sondern im Haushalt, bei Elektrogeräten, bei Textilien oder an jedem anderen denkbaren Einsatzort von Kunststoffen. Überall wird nur genau so viel Material eingesetzt, wie unbedingt nötig und um die gesetzliche Garantiezeit durchzustehen oder eine Prüfnorm zu erfüllen. So jedenfalls der populäre Vorwurf, an dem auch bestimmt etwas dran ist. Das hat dem Kunststoff eine schlechte Presse gemacht.

Gegen alle Vorwürfe, billiges Plastikglump zu sein, ließe sich jedoch vorbringen: Je weniger Material verwendet werden muss, um einen stabilen Körper zu erzeugen, umso besser. Es ist schlicht ein Wunder, was damit alles möglich ist: Hauchdünne Folien, Schnüre, filigranste Strukturen, hitzebeständig, gasfest, wasserdicht, lösemittelbeständig – je nachdem.

Und so kommt es, dass gerade das phantastischste Material das schlechteste Image hat. Weil es oftmals so eingesetzt wird, dass es statisch hoch kritisch und ausgetüftelt nur gerade mal so noch hält. Ein Verfahren, das mit anderen Materialen gar nicht möglich wäre. Doch darum geht es eben oft auch leicht kaputt. Nicht, weil Plastik eben kaputtgeht, sondern weil es so verarbeitet wurde, dass selbst dieses Wundermaterial irgendwann zu fragil wird, um seine Wunder noch offenbaren zu können.

Ganz besonders schädlich für den Ruf des so genannten Plastiks ist der Einsatz von Kunststoffen in der Verpackungsindustrie. Die Plastiktüte – generell eine großartige Erfindung – ist in den Jahrzehnten seit ihrer Verwendung zum negativen Fanal geworden für alle Zivilisationskritiker und das tägliche Wasser auf die Mühlen der Zurück-auf-die-Bäume-Fraktion. Mit einigem Recht!

Aus dieser Form von Kunststoff, der kritisch eingesetzt wird, also kostensparend bis zum Anschlag, wird irgendeinmal Müll, der sich auf dem Planeten verbreitet und seinesgleichen damit in Verruf bringt. Das ist traurig. Denn es gibt auch jede Menge Gegenbeispiele: Griffe, Bretter, Fahrzeugarmaturen, ganze Schiffskörper, Lego, Straßenbeläge, Tanks, Schwimmbecken, Zeppeline, Häuser sogar. Sie alle können mitunter Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte Bestand haben und als Gegenbeispiele herhalten, um das schlechte Image der Kunststoffe auszugleichen.

Warum das alles in die falsche Richtung läuft, ist klar: Plastik ist zu billig. Und zwar für die Hersteller. Wäre es teurer, würde es nicht mehr in der Verpackungsindustrie oder im Billigsegment eingesetzt. Um das zu erzwingen, gäbe es verschiedene Wege: Entweder man besteuert die Herstellung oder den Vertrieb von „billigem Plastik“, oder man macht seine Rohmaterialen teurer. Das ist ja meistens Erdöl. Und plötzlich wird auch ein Schuh draus wenn klar wird, dass Erdöl wieder einmal zu billig ist. Was dem Ökonomen großartig erscheint, schadet in Wahrheit mehr als es nützt. Uns allen.

Alles was Sie sagen, kann und wird gegen Sie verwendet werden

Aus aktuellem Anlass hier mal ein Beitrag zum Thema Meinungsfreiheit.

Landläufig herrscht ja die Ansicht, Meinungsfreiheit bestünde darin, frei von der Leber weg sagen zu dürfen, was einem aus der Seele spricht. Schwachsinn. Meinungsfreiheit besteht für mich in der Freiheit, meine Meinung ändern zu dürfen. Ich lehne es einfach ab, von anderen Leuten auf jeden Unsinn, den ich früher einmal geäußert habe, bis in alle Ewigkeit abonniert zu werden. Ich habe ein Recht auf Irrtum, und ich habe ein Recht auf bessere Einsicht. Denn wäre es nicht so, dann müsste es ja jeder halbwegs vernünftige Mensch vorziehen, gar nichts mehr zu sagen.

Umgekehrt verstehe ich die Leute auch nicht, die auf Gedeih und Verderb ihre einmal geäußerten Annahmen oder Überzeugungen verteidigen, um ihr Gesicht zu wahren. Ich vermute auch, dass genau hier der Fehler liegt: Im Glauben, dass Menschen eine einheitliche Meinungsstruktur, eine Persönlichkeit – nennen wir es einen Charakter – haben müssten, versuchen sie genau einen solchen Charakter darzustellen. Tatsächlich aber ist das dann nichts anderes als eine Projektion der anderen.

Warum Menschen von anderen Menschen verlangen, „Verantwortung“ zu übernehmen für ihre alten Aussagen, ist ihr eigenes Bedürfnis, sich in einem Menschen nicht geirrt zu haben. Also: Schritt 1 ist, ich mache mir ein Bild von jemandem. Schritt 2: Der andere ändert plötzlich seine Meinung. Schritt 3: Der andere entspricht meiner Meinung nicht mehr und ich werde sauer oder bekomme Angst davor, die Orientierung zu verlieren. Schritt 4: Ich beruhige mich damit, mein Gegenüber wieder in mein altes Bild zu zwingen, indem ich ihn beschuldige, genau der zu sein, von dem ich angenommen hatte, dass er sei. Schritt 5: In der Folge fühlt sich der andere genötigt, entweder gar nichts mehr zu sagen, oder vorauseilend eben darum zu kämpfen, nicht ein neuer zu werden, sondern zu bleiben, wie er in den Augen der anderen sein soll. Er beharrt also auf seiner alten, womöglich längst abgelegten Meinung, oder kommt gar nicht erst zu einer neuen, weil er sonst als charakterlos dastünde.

Leute, da mache ich nicht mit. Ich bin nicht, was ich meine. Und alles was ich hier geschrieben habe, sagt vielleicht schon morgen gerade mal so viel über mich, wie das Zeug, das ich im Klo runterspüle.

UPDATE: Ein Freund schickt mir gerade diese Replik:

Kurz gesagt: Wir hassen es, wenn andere ihre Meinung ändern, weil wir selbst unsere Meinung (über sie) nicht ändern wollen. 😉

Aber warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? (Danke, Frank)