Wunderbare Plastikwelt der Zukunft: warum eigentlich nicht?

Kunststoffe versprachen einst die phantastischsten Eigenschaften, Formen und Oberflächen. Zwischenzeitlich ist die Euphorie etwas abgeklungen und scheinbar einer realistischeren Betrachtungsweise gewichen. – Wirklich? Ich behaupte, nein. Denn Kunststoff ist immer ein Wunderstoff gewesen und auch geblieben. Sein Problem ist genau diese Eigenschaft. Gerade, weil Kunststoffe so genial sind, werden sie auf eine Weise eingesetzt, die auf fatale Weise seinem Ruf nachhaltig schaden.

Kinderspielzeug zum Beispiel war in alten Zeiten meist aus Holz oder Lehm, wie man in vielen Museen erleben kann. Für Reiche gab es dann schon mal Gold oder Silber, manchmal auch Bronze oder Kupfer. Spätestens seit dem 19. Jahrhundert kamen dann verschiedene Metalle ins Spiel. Eisen, Edelstahl, Aluminium, etwas früher schon Zinn. Diese haben neue Formen ermöglicht und auch die Massenproduktion beflügelt. Das hatte aber auch Nachteile: Metall ist schwer, Eisen zum Beispiel rostet bei Feuchtigkeit und dünneres Blech verbiegt sich leicht. Außerdem kann man sich leicht daran verletzten und es ist ein guter Stromleiter. Insgesamt etwas ungeeignet für Kinder.

Die Antwort darauf war das Plastik in seinen vielen verschiedenen Formen und Farben. Doch was passierte dann? Es kamen die Kostenoptimierer und stellten fest: Mit Plastik kann man nicht nur bislang undenkbare Formen massenhaft herstellen, man kann dies auch unendlich sparsam tun. Körper mit Wanddicken, die unseren Vorfahren Tränen in die Augen trieben, sind bei gewöhnlichem Billigspielzeug aus dem Aldi die Regel.

Dasselbe Prinzip finden wir natürlich nicht nur beim Kinderspielzeug, sondern im Haushalt, bei Elektrogeräten, bei Textilien oder an jedem anderen denkbaren Einsatzort von Kunststoffen. Überall wird nur genau so viel Material eingesetzt, wie unbedingt nötig und um die gesetzliche Garantiezeit durchzustehen oder eine Prüfnorm zu erfüllen. So jedenfalls der populäre Vorwurf, an dem auch bestimmt etwas dran ist. Das hat dem Kunststoff eine schlechte Presse gemacht.

Gegen alle Vorwürfe, billiges Plastikglump zu sein, ließe sich jedoch vorbringen: Je weniger Material verwendet werden muss, um einen stabilen Körper zu erzeugen, umso besser. Es ist schlicht ein Wunder, was damit alles möglich ist: Hauchdünne Folien, Schnüre, filigranste Strukturen, hitzebeständig, gasfest, wasserdicht, lösemittelbeständig – je nachdem.

Und so kommt es, dass gerade das phantastischste Material das schlechteste Image hat. Weil es oftmals so eingesetzt wird, dass es statisch hoch kritisch und ausgetüftelt nur gerade mal so noch hält. Ein Verfahren, das mit anderen Materialen gar nicht möglich wäre. Doch darum geht es eben oft auch leicht kaputt. Nicht, weil Plastik eben kaputtgeht, sondern weil es so verarbeitet wurde, dass selbst dieses Wundermaterial irgendwann zu fragil wird, um seine Wunder noch offenbaren zu können.

Ganz besonders schädlich für den Ruf des so genannten Plastiks ist der Einsatz von Kunststoffen in der Verpackungsindustrie. Die Plastiktüte – generell eine großartige Erfindung – ist in den Jahrzehnten seit ihrer Verwendung zum negativen Fanal geworden für alle Zivilisationskritiker und das tägliche Wasser auf die Mühlen der Zurück-auf-die-Bäume-Fraktion. Mit einigem Recht!

Aus dieser Form von Kunststoff, der kritisch eingesetzt wird, also kostensparend bis zum Anschlag, wird irgendeinmal Müll, der sich auf dem Planeten verbreitet und seinesgleichen damit in Verruf bringt. Das ist traurig. Denn es gibt auch jede Menge Gegenbeispiele: Griffe, Bretter, Fahrzeugarmaturen, ganze Schiffskörper, Lego, Straßenbeläge, Tanks, Schwimmbecken, Zeppeline, Häuser sogar. Sie alle können mitunter Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte Bestand haben und als Gegenbeispiele herhalten, um das schlechte Image der Kunststoffe auszugleichen.

Warum das alles in die falsche Richtung läuft, ist klar: Plastik ist zu billig. Und zwar für die Hersteller. Wäre es teurer, würde es nicht mehr in der Verpackungsindustrie oder im Billigsegment eingesetzt. Um das zu erzwingen, gäbe es verschiedene Wege: Entweder man besteuert die Herstellung oder den Vertrieb von „billigem Plastik“, oder man macht seine Rohmaterialen teurer. Das ist ja meistens Erdöl. Und plötzlich wird auch ein Schuh draus wenn klar wird, dass Erdöl wieder einmal zu billig ist. Was dem Ökonomen großartig erscheint, schadet in Wahrheit mehr als es nützt. Uns allen.