Kochen, Kunst und Kitsch

Heute ein geerbtes Kochbuch geöffnet und einen kleinen, handgeschriebenen Zettel darin gefunden:

»Kitsch [vielleicht von engl. sketch „Skizze“; Bismarckzeit], Sammelbegriff für geschmacklose und sich als Kunst ausgebende Erzeugnisse der Malerei, der Plastik und Architektur, des Kunstgewerbes, der Literatur, der Musik und des Films, die in sich unwahr sind, da sie Schönheit durch Glätte, Empfindung durch Rührseligkeit, Größe durch Pose und hohles Pathos, Tragik durch Sensation ersetzen oder ihr durch ein happy end ausweichen.«

Interessant daran: Als ich ein paar Zeilen davon in Google eingab, fand ich die Passage in vollständiger Form. Sie stammt aus einer Ausgabe von »Der Neue Brockhaus« und es fehlte der wichtige Zusatz: »Das Urteil darüber bleibt individuell und zeitgebunden. Nicht selten betrachtet schon die jüngere Generation als K., worin die ältere echte Gestaltung sah.«

Offenbar hat hier jemand sein „Messer“ im Kochbuch versteckt, um einer unliebsamen Person mit seinem Kunstbegriff damit hinterhältig aufzulauern – ohne Möglichkeit einer Rehabilitation.

Was ist mir mehr wert? Eine Welt, die nur noch wahrhaft schöne Kunst produziert – oder eine Gesellschaft, die es nicht nötig hat, ihre eigene Identität durch abwertende Kunsturteile zu schärfen?